Carp in Focus 22: Goldgruben
 

Goldgruben


Baggerlöcher gelten als besondere Harausforderung: Steil abfallende Ufer, klares Wasser, dünner Fischbestand. Doch so manche Kiesgrube entpuppt sich als wahre Goldgrube. Freuen Sie sich auf kapitale Karpfen!

Viele frische Baggerlöcher wirken nicht sonderlich einladend. Ihre kargen Ufer gleichen einer Steinwüste. Zelthäringe sind kaum in den Boden zu bekommen. Und Bäume, die kühlen Schatten spenden könnten, gibt es kaum. Auch anglerisch gibt es Hindernisse. Ist der Bagger noch aktiv, verändert sich permanent die Bodenstruktur. Und wer möchte beim Angeln den ganzen Tag das ohrenbetäubende Rattern des Schwimmbaggers hören? Zudem stellt sich die Frage, wo man die Köder platzieren soll. Denn an den Steilufern ist es zehn Meter vom Ufer entfernt benahe ebenso tief. Es wäre zweifelsohne einfacher an den nahe gelegenen Stausee oder Vereintümpel auszuweichen, wo es einen größeren Fischbestand gibt und die Wahrscheinlichkeit, als Schneider nach Hause zu fahren, kleiner ist.

 

Der Bagger macht's

Jedoch gleicht nicht jede Kiesgrube der anderen. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist die Bodenstruktur. Da gibt es die Badewannen. In direkter Ufernähe haben sie eine steile Kante, der Grund verläuft dann ohne größere Unebenheiten bis zum gegenüberliegenden Ufer in derselben Tiefe. Bei solchen Kiesgruben wurde meistens mit schwimmenden Saugbaggern abgebaut. Dagegen lassen Tieflöffelbagger oder Schürfbagger Kiesgruben mit einer stark auffälligen Bodenstruktur entstehen. Abhängig davon, wie die Kies- oder Sandablagerungen strukturiert sind, entstehen tiefe Kuhlen, Plateaus oder Rinnen. An solchen Kiesgruben gibt es eine Vielzahl möglicher Spots, die Wahl des Angelplatzes fällt schwer.


Einige Kiesgruben bergen gewichtige Geheimnisse

Wichtig für den Angler ist das Alter der Kiesgrube. Hat sich die Kiesgrube erst vor wenigen Jahren mit Wasser befüllt, ist kaum mit dicken Karpfen zu rechnen. Falls Sie keine Angaben zum Alter des Sees erhalten, lässt die Wuchshöhe von Bäumen und Sträuchern zumindest grobe Rückschlüsse auf das Alter der Kiesgrube zu. Ist nirgendwo ein Fleck Grün zu sehen oder gibt es kein Kraut am Gewässergrund, ist die Nahrung relativ knapp. Sollten tatsächlich Karpfen ausgesetzt worden sein, werden sie dann kaum zu kapitalen Fischen abgewachsen sein. Womit wir bei der zentralen Frage angelangt sind: Wann wurden wie viele Fische ausgesetzt? Fragen Sie vor dem Kauf der Gewässerkarte im Angelladen oder beim Pächter nach den bisherigen Besatzmaßnahmen. Vielleicht erfahren Sie dort etwas über aktuelle Fänge. Oder erkundigen Sie sich bei anderen Anglern , auch wenn diese meist ungern Auskünfte erteilen. Falls Sie den Kameraden doch etwas entlocken können, ist es wichtig, die erhaltenen Informationen mit eigenen Erkenntnissen abzugleichen.


Ein schöner Überraschungsfisch aus einer tiefen Kiesgrube

Nicht nur an Baggerlöchern praktisch: Mein Glückscent auf der Spule

 
Nie ohne Lotrute

Ich erinnerte mich noch als unser Angelverein eine Kiesgrube pachtete. Mit 30 Hektar war es nicht die größte Grube, aber so fiel es leichter die Fischen zu lokalisieren. Ich löcherte den Vereinsvorstand mit meinen Fragen, die Antworten übertrafen meine Erwartungen. Das Gewässer sei schon über 20 Jahre alt, wurde mir mitgeteilt. Und es sei seither von Angelvereinen bewirtschaftet worden. Ich frohlockte bereits: Handelte es sich bei dieser Kiesgrube womöglich um eine Goldgrube?

Weil der Fischbestand nicht so groß wie an anderen Seen, sind Kiesgruben für Angelvereine oft unattraktiv. Zu recht. Denn die Devise bei Kiesgruben lautet: Klasse statt Masse. Die (wenigen) Fische haben weniger Futterkonkurrenz, darum können sie besser abwachsen. Ist dichtes Kraut vorhanden, gibt es einen guten Lebensraum für Krebse und Dreikantmuscheln. Und die erfreuen sich bei Karpfen großer Beliebtheit. Da verwundert es beinahe, das die Fische noch unsere Proteinkugeln aufnehmen. Liegt wohl an der Bequemlichkeit der Karpfen, schließlich kann ein Boilie nicht weglaufen.

Es dauerte bis zum Spätherbst, ehe ich das neue Gewässer mit Boot, Echolot und meiner unentbehrlichen Lotrute kennen lernte. Die Bodenstruktur, die sich auf dem Echolot abzeichnete, ähnelte einer Motocross-Rennstrecke. Was ich mit der Lotrute noch einmal überprüfe. Das empfehle ich übrigens jedem Angler: Erst Echolot, dann Lotrute. Im Zweifelsfall vertraue ich doch lieber meinem Fingerspitzengefühl als der oft etwas vagen Interpretation eines Computerbildes.

Im Durchschnitt wies die Kiesgrube eine Wassertiefe von fünf Metern auf. Der Boden war mit Kies und größeren Steinen übersät, an manchen Stellen entdeckte ich auch Lehmboden. Lehm lässt sich gut mit der Lotrute ertasten. Lässt man das Blei zum Grund absinken, spürt man einen härteren Aufprall als auf Schlamm. Wenn man das Blei wieder einkurbelt, klebt es einen Augenblick lang fest. Als hätte man als kleines Kind den Finder in Knete gesteckt und möchte ihn wieder heraus ziehen. Über dem Grund befand sich teilweise meterhohes Kraut, besonders die Flachwasserzone glich einem Dschungel. Kurzum: Die Grube hatte mich in ihren Bann gezogen, dank des herlichen kristallklaren Wassers und der außergewöhnlichen Bodenstruktur.

In tiefen Baggerlöchern läuft es oft auch noch im Spätherbst

Mit Flossen und Brille

Nach dieser Erkundungstour folgte im März die genaue Spotsuche. Mit meinem Freund Flo ging es los. Zunächst sahen wir uns den See aus der Vogelperspektive bei „Google Earth“ an. Uns fiel sogleich ein großer, heller Fleck ins Auge. Eine Sandbank? Mit dem Echolot und Lotrute ausgerüstet, steuerten wir tags darauf die Stelle mit dem Boot an. Der Seeboden fiel von einem Meter langsam auf 2,50 Meter ab. Dann folgte eine steile Kante, die bis ein eine Tiefe von 5,50 Meter reichte. Der Boden bestand aus einer Mischung aus Sand und Lehm. Keine Frage: Das war unser Spot! Wenn man nicht auf Anhieb geeignete Plätze findet, kann man mit Boot das Gewässer abfahren und nach rollenden Karpfen Ausschau halten. Leider haben sich viele Fische dieses Verhalten auf Grund des starken Angeldrucks abgewöhnt. Oder sie sind vorwiegend nachts aktiv. Also bleiben Sie auch nachts wachsam, vielleicht verraten die Fische da ihre Aufenthaltsorte. Ansonsten greife ich gerne zu Flossen und Taucherbrille, um unsere Lieblinge ausfindig zu machen. Verräterisch sind Fresslöcher, die plötzlich inmitten von dichten Kraut auftauchen. Diese kahl gefressenen Stellen bringen oft viele Bisse.


 

Auffällige Duftwolke

Dann wagte ich einen ersten Ansitz an unserer neuen Kiesgrube. Ich legte eine Montage im oberen Teil der Sandbank ab, die andere Montage platzierte ich unterhalb der Kante in fünf Meter Tiefe. Die Spots befütterte ich mit Mais, Forelli, Boiliestückchen und meinen selbstgerollten Fischboilies. Diese halbierte ich teilweise, damit sich die Aromen schneller freisetzen konnten. Meinen Boiliemix habe ich übrigens mit Erdnüssen, Hanf, Haferflocken und Milch angereichert. Durch die separat gefütterten Boiliestückchen sollen die Karpfen auf den Geschmack kommen. So sorge ich dafür, dass die Karpfen meine Boilies, die eine unnatürliche Nahrungsquelle darstellen, schneller akzeptieren. Und bei der Wahl meiner Partikel achte ich darauf, dass diese auch in meinen Boilies vorkommen. Die Milch erzeugt eine Futterwolke, die sich über dem Gewässergrund absetzt und die Lockwirkung verstärkt. Zwar werden dadurch kleinere Fische angelockt, doch mit ihnen werden die Karpfen auf den Futterplatz aufmerksam. Besonders Graskarpfen finden es unwiderstehlich.



Die Spots befüttere ich mit Mais, Forelli, Boiliestückchen und meinen selbstgerollten Fischboilies

Diese Taktik können Sie jedoch nur praktizieren, wenn das Gewässer nicht übermäßig viele Weißfische beherbergt. Ansonsten kann der Angelausflug sehr nervenaufreibend sein. Weiterhin verwendete ich eine Festbleimontage. Aufgrund des klaren Wassers jedoch ohne Leadcore. Stattdessen wähle ich eine etwa 30 Meter lange Flourocarbon-Schlagschnur mit 0,50 Millimeter Durchmesser. Das Vorfach ist ebenfalls aus Flourocarbon und misst 20 Zentimeter. Wenn beim ersten gefangenen Fisch der Haken zu tief im Maul sitzt, verkürze ich das Vorfach um fünf Zentimeter. Sitzt er dagegen am äußersten Rand der Lippe, verlängere ich das Vorfach. Der Hakenköder ist derselbe Köder, mit dem ich auch gefüttert habe. Wenn ich also ausschließlich mit Partikeln gefüttert habe, wähle ich garantiert keinen selbstgerollten Fischmehlboilie als Hakenköder. Das wäre zu auffällig, die Karpfen werden ihn höchstwahrscheinlich selektieren.

Anders sieht es mit Pop-ups aus. Sie verwende ich gerne in Kombination mit Partikeln. Ich ziehe zum Beispiel zwei Maiskörner, eine Erdnuss und vor dem Stopper noch einen halbierten gelben Pop-up auf das Haar. Nun schwebt das Haar über den Gewässergrund, nicht aber der Haken. Der Köder ist gut ausbalanciert, und das hat mehrere Vorteile. Der Köder ist beweglich und kann somit gut eingesaugt werden. Zudem weckt das Hin- und Hertänzeln des Pop-ups die Neugier der Karpfen. Ein weiterer Vorteil: Der Hakenköder sinkt im Gegensatz zu einem sinkenden Köder, nicht so leicht in den Schlamm oder das Kraut ein. Um den Haken vor Kraut zu schützen, verwende ich zusätzlich PVA-Schaum, den ich auf die Hakenspitze ziehe.


Mein neuer Personal Best: Ein wunderschöner Spiegler von 41 Pfund

Schon bei meinem ersten Ansitz dauerte es nicht lange, bis der Bissanzeiger aufkreischte. Flo und ich fuhren dem Fisch mit dem Boot entgegen. Der Drill zog sich nicht lange hin, obwohl mein Gegenüber alles andere als klein war. 15,5 Kilogramm, eine richtige Granate. Deshalb bekam er den Namen „La Granada“. Ich legte meine Montage wieder auf 2,50 Meter Tiefe direkt auf der Sandbank ab. Ich verzichtete auf den Einsatz eines Elektromotors, weil ich die Fische nicht verscheuchen wollte. Doch die folgenden drei Tage schwiegen meine Bissanzeiger.


 

Neuer See neues Glück

Im Sommer ging meine Suche nach verborgenen Schätzen weiter. Mit meinem Kumpel Georg plante ich einen Trip an eine Kiesgrube in Bayern. Sie hatte ungefähr dieselbe Größe, jedoch war der Kiesabbau schon beendet. Was für ein idyllisches Gewässer. Alles war grün, rundherum standen viele Bäume, es gab keinen nervigen Baggerlärm. Ein wahres Paradies. Die Bodenstruktur des Sees war gleichmäßiger, zudem war der Grund von starkem Schlamm, Fadenalgen und vereinzelt Lehm geprägt. Die wenigen Bereiche, an denen das Kraut höher wuchs, waren schwer zu lokalisieren. Aber gerade solche Stellen sind Erfolg versprechend. Das Gewässer hatte eine Durchschnittstiefe von fünf bis sechs Meter. In der Seemitte befand sich eine Insel. Es war nicht leicht, inmitten der vielen Bojen von anderen Angler eine Stelle zu finden. Die Grube musste ganz offensichtlich unter einem immensen Angeldruck stehen.

Das ließ den Rückschluss zu: Die Fische werden versuchen, sich dem Druck zu entziehen und deshalb ruhige Stellen aufsuchen. Das Schongebiet zum Beispiel. Natürlich kann man dort nicht fischen. Aber am Rand des Schongebiets gab es auch noch Angelplätze. Doch leider bekamen wir keine Stelle neben dem Schongebiet. Deshalb bauten wir unsere Ruten an einer anderen Stelle auf, die mir weniger zusagte. Allerdings konnte man von hier aus die Insel befischen. Doch viele andere Angler fischten ebenfalls vor der Insel. Das machte mich skeptisch.

Bevor ich mit dem Füttern begann, schaute ich, was die anderen Angler so fütterten. Es waren vorwiegend Boilies, Partikel sah ich kaum. Also wollte ich es genau anders machen, zumal es laut den ortsansässigen Anglern in den letzten Wochen nicht gut lief. Meine Spots waren schnell gefunden. Einer lag an der besagten Insel, dicht an einem Baum, dessen Äste ins Wasser ragten. Der Untergrund war eine Mischung aus Kies und Sand, das konnte ich mit der Lotrute ertasten. Die andere Montage legte ich an unserem Ufer ab, direkt auf einem Krautfeld auf lehmigen Untergrund.

Ich fütterte beide Angelplätze mit Mais, Tigernüssen, Forelli und ein paar Boilies, die ich halbierte. Wenn man an ein neues Gewässer kommt und den Fischbestand nicht kennt, sollte man mit kleinen Futtermengen anfangen. Tun Sie der Natur einen Gefallen! Nur das Füttern mit Verstand und das Reagieren auf sich ändernde Bedingungen bringt den Erfolg.

Auch bei den Montagen verzichtete ich auf Experimente. Ich beschränkte mich zunächst auf Standard-Festbleimontagen, meine Schnüre senke ich mit Back Leads ab. Das ist sehr wichtig an überfischten Gewässern. Denn die Fische reagieren dort mit Abneigung auf Schnüre, weil sie schon zu oft mit ihnen Bekanntschaft gemacht haben.

Es dauerte nicht lange, ehe mein Bissanzeiger ein paar Töne von sich gab. Schnell war ich an der Rute, der Fisch entpuppte sich als stattliche Schleie. Das war nicht mein Zielfisch, aber es war ein Anzeichen dafür, das mein Futter von den Fischen akzeptiert wurde. Doch leider sollte das für die nächsten drei Tage das einzige Lebenszeichen bleiben.


Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Lohnender Umzug

Dann wurde unsere Wunschstelle neben dem Schongebiet frei. Innerhalb weniger Minuten war alles zusammen gepackt. Der Wechsel tat gut, denn zu unserer alten Stelle fehlte mir das Vertrauen.

An den Montagen und der Futterstrategie änderten wir nichts. Ich wählte eine Kante aus, die sich über 100 Meter hinweg zog. Hier platzierte ich meine Montagen in drei Meter und 4,50 Meter Wassertiefe am unteren Teil der Kante. Georg fischte nur eine Montage an der Kante. Als Hakenköder griff ich auf selbstgerollte Fischboilies zurück. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Bisse kamen. Es sollten wahre Sternstunden werden. Denn viele Fische hatten das Ablaichen im Schongebiet beendet und wollten nun ihre Energiereserven wieder auffüllen. Georg und ich konnten in nächsten Tagen viele gute Fische überlisten. Darunter auch ein 35er, ein 36er und ein 37er sowie mein neuer Personal Best: ein wunderschöner Spiegler mit 41 Pfund. Zudem konnte ich meinen ersten Waller überlisten. Die Session wird für uns unvergesslich bleiben. Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Kiesgruben können wahre Goldgruben sein. Die suche nach den dort verborgenen Schätzen lässt mich nicht mehr los. Ich kann den werten Leser nur ermutigen: Versuchen Sie sich doch auch einmal als Schatzsucher.



 
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